Hans Zaremba zum Tod von Hans-Jochen Vogel
Als der am vergangenen Sonntag im Alter von 94 Jahren verstorbene ehemalige SPD-Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel vor vier Jahren anlässlich seines 90. Geburtstages gefragt wurde, wie er sein langjähriges Engagement in der Politik einmal bewerten würde, sagte er knapp und bündig: „Er hat sich bemüht.“ Diese Zurückhaltung um seine Person prägte seinen gesamten politischen Werdegang.
Unerschütterliche moralische Grundsätze
Dieser war durchaus beeindruckend: Er führte ihn vom Amt des Oberbürgermeisters in München (1960-1972) über die Tätigkeit als Bundesminister in den Kabinetten der sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt (1972-1981), seinem Intermezzo als Regierender Bürgermeister von Berlin (1981) und seiner Aufgabe als Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus (1981-1983) bis zum SPD-Kanzlerkandidaten (1983) sowie in die Funktionen des SPD-Fraktionschefs im Bundestag (1983-1991) und des SPD-Parteivorsitzenden (1987-1991). In der Sozialdemokratie galt er zeitlebens als gutes Gewissen mit unerschütterlichen moralischen Grundsätzen. Abgesehen vom großen Thema „soziale Gerechtigkeit“ trieb ihm bis ins hohe Alter aber noch ein anderes Problem um: der drohende Zerfall Europas. Schon als der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union erstmals sichtbar wurde, sagte Hans-Jochen Vogel, dass 70 Jahre Frieden in Europa nur durch die Überwindung des Nationalismus möglich geworden seien. Seine Parkinson-Erkrankung hatte er erst wenige Jahre vor seinem Tod öffentlich gemacht, bis zuletzt lebte er mit seiner Frau Liselotte in einer Seniorenresidenz in München. Dort wurde er – sofern es seine Gesundheit zuließ – von Journalisten und auch Parteifreunden besucht. Mit ihnen diskutierte er gerne über hochaktuelle Fragen wie die Flüchtlingskrise oder die Gefahren, die von rechten Strömungen ausgehen. Doch wer ihn erreichen wollte, der brauchte aus heutiger Sicht viel Geduld: Bis zu seinem Ableben verschmähte er Handy und die heute üblichen Kommunikationsmöglichkeiten per E-Mail.
Im Landtagswahlkampf 1990 in Lippstadt
Der 1926 im niedersächsischen Göttingen geborene Professoren-Sohn und spätere promovierte Einserjurist gehörte zu jenen Vormännern der SPD-Bundespartei, die in Lippstadt zu Veranstaltungen waren. Es war am Freitag, 27. April 1990, nur zwei Tage nach dem abscheulichem Attentat auf den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, als der für seine gewissenhafte Arbeit bekannte Hans-Jochen Vogel im Landtagswahlkampf zur Unterstützung des früheren Landtagsabgeordneten Karl-Heinz Brülle bei dessen zweiter Kandidatur für das Düsseldorfer Parlament an die Lippe gekommen war. Der Nachmittag mit der gut besuchten Kundgebung vor dem Rathaus war von einem Sicherheitsaufwand gekennzeichnet, der weder zuvor noch später bei Auftritten von SPD-Prominenten in Lippstadt registriert wurde. Davon ließ sich der Gast aus Bonn nicht beirren. Dieser wollte das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern auf dem Rathausplatz. Es war ein bemerkenswertes Bad in der Menge, das im April 1990 der SPD-Doppelvorsitzende von Partei und Fraktion in Lippstadt, nahm. Der heutige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil charakterisierte den einstigen SPD-Spitzenpolitiker nach dessen Tod: „Mit Hans-Jochen Vogel ist ein ganz großartiger Mensch von uns gegangen. Jemand, der dieses Land über Jahrzehnte geprägt hat und dem wir alle viel zu verdanken haben.“