Hans Zaremba über den SPD-Parteitag in 1991
Als sich die Sozialdemokraten im Mai 1991 auf ihren Bundesparteitag in Bremen und die Wahl von Björn Engholm zum neuen Parteivorsitzenden vorbereiteten, hatte das Magazin „Der Spiegel“ für seinen Artikel zu den bevorstehenden SPD-Beschlüssen als Überschrift „Eine schwierige Prüfung“ bestimmt. Eine durchaus zutreffende Schlagzeile vor dem Hintergrund der damaligen Themen: Streit um den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Ausland und das Votum für Berlin oder Bonn als Hauptstadt.
Aufgaben
Für den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, der am Tag des Mauerfalls von Berlin im November 1989 sein 50. Lebensjahr vollendete, eine Fülle von kniffligen Aufgaben, zumal die heftige Klatsche der SPD bei der Bundestagswahl im Dezember 1990 gerade mal knapp sechs Monate zurücklag. Ebenso hatte er in dem Saarländer Oskar Lafontaine einen sehr eigenwilligen Stellvertreter im Parteivorstand. Von Björn Engholm erwartete die SPD, die in der Nachkriegsgeschichte bis 1991 nur in 13 Jahren den Kanzler stellte, nach der Wiedervereinigung und dem Wegfall der Militärblöcke in West und Ost die Rückkehr in die Verantwortung im Bund. Wahrlich keine einfache Arbeit für einen Mann, der von vielen lediglich als Schöngeist gesehen wurde. Doch diese Betrachtung war zu kurz gegriffen. Durch seinen Führungsstil an der Förde, der sich nicht nur auf Autorität und Macht stützte, war er zu einem der beliebtesten Regenten in Deutschland geworden. Zudem setzte er mit seiner Personalpolitik völlig neue Akzente, indem er in sein Kabinett gleich vier Ministerinnen und überdies einen parteilosen Professor zum Chef des Umweltressorts berief. Auch viele der Genossinnen und Genossen im Lippstädter SPD-Ortsverein waren von ihrem neuen Vormann der Bundespartei begeistert und ließen sich im Juni 1991 von seiner Pressesprecherin Cornelie Sonntag, einer ehemaligen NDR-Journalistin, die Vorstellungen von Björn Engholm in einer öffentlichen Veranstaltung im Restaurant Ortwein erläutern.
Maßstäbe
Nach nur zwei Jahren musste Björn Engholm den Vorsitz der Sozialdemokraten wieder aufgegeben. Die Spätfolgen der Vorfälle aus dem Jahr 1987, bei denen der Sozialdemokrat durch übliche Machenschaften des politischen Gegners ausgeforscht wurde und vernichtet werden sollte, veranlassten ihn, sich gänzlich aus der Tagespolitik zurückzuziehen. Es waren die von ihm gesetzten eigenen Maßstäbe, die ihn nach einer Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag von Schleswig-Holstein am Montag, 3. Mai 1993, zum plötzlichen Rücktritt von allen Ämtern (Ministerpräsident in Kiel, Parteivorsitz und Kanzlerkandidat der SPD) zwangen. Nach dem Schleswig-Holsteiner folgte der Rheinland-Pfälzer Rudolf Scharping als SPD-Vorsitzender, der im Juni 1993 mit einer Befragung der Genossinnen und Genossen für das höchste Parteiamt der SPD in den damals noch rund 11.000 Ortsvereinen auf den Chefsessel der ältesten deutschen Partei gehoben wurde.
Parteileben
Auf dem Bremer SPD-Parteitag in 1991 war der Lippstädter SPD-Ortsverein erstmals bei einer Ausstellung „Lebendiger Ortsverein“ im Rahmen der bundesweiten Präsentation des örtlichen Parteilebens vertreten. Anita Brülle, Karl-Heinz Brülle, Bernhard Scholl und Hans Zaremba boten die Lippstädter Anstrengungen nach der Wende in der DDR beim Aufbau einer demokratischen Struktur im sächsischen Oschatz dar. Dazu hatten sie Veröffentlichungen aus der Lokalpresse und einen Videofilm mitgebracht, mit denen sie über die Treffen der Oschatzer Sozis mit der SPD an der Lippe und ihren Einsatz nach dem Mauerfall im Landstrich zwischen Leipzig und Riesa schilderten. In einem Wegweiser, der als Begleiter für die Dokumentation aus Lippstadt in der Bremer Stadthalle auslag, forderten die Lippstädter Sozis aufgrund ihrer Erfahrungen aus den Kontakten in der Umgebung von Oschatz ein verstärktes Engagement ihrer Bundespartei für die SPD-Gliederungen in den neuen Bundesländern. Auch 30 Jahre später verfügt die SPD in Sachsen immer noch nicht über eine ausreichende Organisation, was auch ihre Wahlresultate im Freistaat und speziell in Oschatz – wo im Mai 2021 von 26 Stadträten nur zwei der SPD angehören – offenbaren.