Hans Zaremba über die heimischen SPD-Bundestagsabgeordneten
Als am Freitag, 22. Juni 2012, der Bad Sassendorfer Wolfgang Hellmich für den von der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in ihr Kabinett berufenen Michael Groschek in den Bundestag nachrückte, war er seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in 1949 erst der vierte Sozialdemokrat aus der Region als Bundestagsmitglied. Bei der nächsten Wahl im September 2021 strebt der Soester seinen vierten Einzug in die Volksvertretung des Bundes an. Vor ihm waren mit Jakob Koenen (1953 bis 1969), Engelbert Sander (1969 bis 1976 sowie 1978 bis 1987) und Eike Hovermann (1995 bis 2009) ausschließlich Lippstädter, die aus dem heimischen Wahlkreis in den Bundestag gelangten.
Jakob Koenen
Mit dem von November 1949 bis Januar 1974 amtierenden Bürgermeister Jakob Koenen (geboren am Mittwoch, 5. Juni 1907, in Lippstadt und dort verstorben am Mittwoch, 16. Januar 1974) wurde in 1953 erstmals ein Sozialdemokrat aus dem Raum an der Lippe in den Bundestag entsandt. Die Zugehörigkeit des populären Politikers im zu jener Zeit in Bonn beheimateten Parlament erstreckte sich bis zum Ende der fünften Legislaturperiode im Jahr 1969. Der Meister des Sattlerei-, Polsterer- und Dekorateur-Handwerks übte seine Funktion als Berufspolitiker am Rhein parallel zu seiner Aufgabe als ehrenamtlicher Bürgermeister aus. Derartige Doppelmandate im Bund und in der Kommunalpolitik waren in den 1950er und 1960er Jahren keine Seltenheit. Ein bleibendes Werk seiner gleichzeitigen Tätigkeit in Bonn und in Lippstadt ist der Bau der Berliner Straße auf der Trasse der Bundesstraße 55, der sogenannten Umgehungsstraße, die am 15. Oktober 1960 ihrer Bestimmung übergeben wurde. Durch diesen vor über 60 Jahren erstellten Straßenzug östlich der Kernstadt konnte der Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herausgenommen werden, der bis dato vom Südertor in nördlicher Richtung durch die Lange Straße und Wiedenbrücker Straße und umgekehrt von ihr durch die Nord-, Cappel- und Blumenstraße zum Südertor geleitet wurde.
Engelbert Sander
Der zweite aus Lippstadt entsandte Bundesparlamentarier war Engelbert Sander (geboren am 30. Januar 1929 in Schweskau/Niedersachsen und verstorben am 17. April 2004 in Lippstadt). Er gehörte in zwei Abschnitten (1969 bis 1976 sowie als Nachrücker von Mai 1978 bis zum Ende der Parlamentsphase von 1983 bis 1987) dem Bundestag an. In der seinerzeitigen Bundeshauptstadt begleitete er seine Partei mit den Kanzlern Willy Brandt (1969 bis 1974) und Helmut Schmidt (1974 bis 1982)in der Regierung und mit Hans-Jochen Vogel als Fraktionschef in der Opposition. Wie sein Vorgänger aus Lippstadt in Bonn, Jakob Koenen, gelangte auch der langjährige Erste Bevollmächtigte der Lippstädter Kreisverwaltungsstelle der IGM (Industriegewerkschaft Metall) jeweils über die SPD-Landesliste ins Parlament im Rheinland. Besonders geprägt hat ihn der Aufbruch mit dem ersten von der SPD in der Bonner Republik gestellten Regierungschef Willy Brandt, was er nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Frühjahr 1987 schilderte. Auch der hauptamtliche Gewerkschaftler hatte seine politischen Wurzeln in der Kommunalpolitik. Er zählte zu den wenigen Akteuren, die gleichzeitig auf drei politischen Ebenen (von 1961 bis 1975 im Stadtrat von Lippstadt, von 1969 bis 1975 im ehemaligen Kreistag Lippstadt und nach der zum 1. Januar 1975 in Kraft getretenen kommunalen Neuordnung von 1975 bis 1981 im Kreistag Soest) mitwirkten.
Eike Hovermann
Eike Hovermann (geboren am 27. Mai 1946 im heutigen Lippstädter Stadtteil Eickelborn) war der vorerst letzte Bundestagsabgeordnete aus Lippstadt. Er begann ebenfalls seinen politischen Weg auf der kommunalen Stufe, wo er von 1979 bis 1994 dem Stadtrat angehörte. Zudem war er von 1984 bis 1994 Overhagener Ortsvorsteher und von 1989 bis 2004 Mitglied des Soester Kreistages. Sein Debüt als Bundestagskandidat erfolgte bei der Wahl am 16. Oktober 1994 für das noch in Bonn ansässige gesamtdeutsche Parlament. Der ihm zugeordnete Rang auf der SPD-Liste reichte jedoch nicht zum unmittelbaren Einzug in den Bundestag aus. Im Januar 1995 wurde er Nachfolger für den Grevenbroicher Hans Gottfried Bernrath nach dessen Kür zum Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation. Der Overhagener konnte bei der Wahl im September 1998 bislang das einzige Mal in der SPD-Geschichte im Bundestagswahlkreis Lippstadt-Soest das Direktmandat für die Sozialdemokraten gewinnen. Er war somit Mitglied jener SPD-Fraktion, die im Oktober 1998 mit dem rot-grünen Bündnis den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) zum siebten deutschen Bundeskanzler wählte. Ebenso gehörte der vormalige Gymnasiallehrer am Schloss Overhagen zu jenen Abgeordneten des Bundes, die mit dem gesamten Parlamentsbetrieb in 1999 von Bonn nach Berlin umzogen. Im Bundestag erlebte er die SPD in der Opposition (1995 bis 1998), als führende Regierungspartei (1998 bis 2005) und als Juniorpartner der großen Koalition (2005 bis 2009).
Wolfgang Hellmich
Das am 5. Mai 1958 in Welver geborene und in im Ortsteil Meyerich auf einen Bauernhof aufgewachsene und aktuelle SPD-Bundestagsmitglied Wolfgang Hellmich ist später nach Sassendorf verzogen und lebt jetzt in Soest. Als langjähriger ehrenamtlicher und hauptberuflicher Funktionär der SPD ist er bestens mit den politischen Gegebenheiten im Kreis von Wickede bis Geseke vertraut. Zudem ist er ein langer Wegbegleiter der Sozialdemokraten in Lippstadt. Eine Zusammenarbeit, die bis in den Bundestagswahlkampf 1976 zurückreicht. Damals waren Bundeskanzler Helmut Schmidt als Spitzenkandidat und Engelbert Sander als Bewerber im Wahlkreis Lippstadt-Brilon – der in dieser Form von der ersten Bundestagswahl im August 1949 noch bis im Oktober 1976 bestand – für die Sozialdemokratie angetreten. Seit dem 20. Mai 2015 ist der einstige stellvertretende SPD-Landesgeschäftsführer nun Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Ursprünglich wollte die Kreis-SPD ihren jetzigen Mann in Berlin bereits Anfang Dezember erneut zum Direktkandidaten nominieren. Doch durch die Corona-Pandemie musste diese Konferenz in das neue Jahr verschoben werden.