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Lippstädter erlebten denkwürdige Wahl

Hans Zaremba über den SPD-Bundesparteitag von 1995

Vor 25 Jahren erlebte die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Mannheim einen in ihrer Geschichte ungewöhnlichen Vorgang, als der seit 1993 amtierende Parteichef Rudolf Scharping aus Rheinland-Pfalz seinem Stellvertreter Oskar Lafontaine aus dem Saarland in einer überraschenden Kampfabstimmung mit 190 zu 321 Stimmen deutlich unterlag. Etliche Lippstädter SPD-Mitglieder waren als Augen- und Ohrenzeugen bei dieser denkwürdigen Wahl im Mannheimer Rosengarten zugegen.

Mannheim, 16. November 1995: Momentaufnahme beim SPD-Bundesparteitag, als sich der im März 2017 verstorbene frühere Chef des Bundeskanzleramtes, Horst Ehmke (Mitte), am Infostand der Lippstädter Sozialdemokraten in die Gästeliste einträgt. Mit dabei von links Hans Zaremba, Heinz Gerling und Margret Schulte Steinberg.
Archiv-Foto: Sammlung Hans Zaremba

Unterschiedliche Bewertungen

Das Echo über die am Donnerstag, 16. November 1995, erfolgte Veränderung im Vorsitz fiel damals innerhalb der SPD recht unterschiedlich aus. Es reichte vom damaligen SPD-Vize Wolfgang Thierse („Das war eine klare und notwendige Entscheidung“) bis zum früheren SPD-Chef Hans-Joachim Vogel („Mir gefällt die Art und Weise von Scharpings Abwahl nicht“). Auch in der Gruppe der Lippstädter Sozis waren die Meinungen über den in Mannheim erfolgten plötzlichen Wechsel an der SPD-Spitze geteilt. Sie erstreckten sich von „dringend erforderlich“ bis zum „Putsch“. Ohne den bei vielen Delegierten (auch beim Lippstädter Karl-Heinz Brülle) umstrittenen Chef-Wechsel wäre der spätere SPD-Triumph mit dem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder bei der Bundestagswahl am Sonntag, 27. September 1998, kaum möglich gewesen. Ebenso wenig der damit verbundene direkte Einzug von Eike Hovermann in den Bundestag. Der Erfolg des Sozialdemokraten aus Overhagen in 1998 war beispiellos, weil weder zuvor noch danach ein SPD-Bewerber aus der heimischen Region bei einer bundesweiten Wahl ein Direktmandat gewinnen konnte. Anerkennenswert war nach seiner Abwahl als Parteivorsitzender die Bereitschaft von Rudolf Scharping, die durch die „Beförderung“ von Oskar Lafontaine vakante Funktion des Saarländers als Vizevorsitzender zu übernehmen. Mit dem besten Ergebnis (93,2 Prozent) bei den Voten der stellvertretenden Vorsitzenden wurde der Pfälzer und seit 1994 amtierende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion in die engere SPD-Spitze gewählt.

Lippstädter Beobachter

Über Charly Brülle hinaus waren aus Lippstadt Friedhelm Arthecker (+ 2015), Anita Brülle, Hans-Joachim Danzebrink, Heinz Gerling, Erika Martin (+ 2011), Klaus-Wilhelm Penzler (+ 2016), Bernhard Scholl, Margret Schulte Steinberg, Wolfgang Schulte Steinberg, Marlies Stotz, Ursula Wolf und Hans Zaremba in Mannheim mit dabei. Sie engagierten sich mit zwei Info-Ständen und drei Projekten bei der Ausstellung „Lebendiger Ortsverein“ mit den Themen „Geschichte der Frauen in den Konzentrationslagern und ihre Rolle während der Nazi-Diktatur“, „Neugestaltung der einstigen britischen Kaserne zum Wohnpark“ und „Vertrauensarbeit der SPD vor Ort“. Nach den SPD-Tagungen in Bremen (Mai 1991) und Wiesbaden (November 1993) war in Mannheim zum dritten Mal eine Delegation aus Lippstadt auf einem SPD-Bundesparteitag bei den Präsentationen der Tätigkeit der SPD-Basis in den Gemeinden und Städten anwesend. Die Darstellung mit den Aktivitäten der Sozis vor Ort bei den zweijährlichen Parteikongressen wurde 1988 auf dem SPD-Bundesparteitag in Münster etabliert. Was in der Münsterlandhalle (noch ohne Lippstädter Beteiligung) begann und sich in Bremen 1991 fortsetzte, erlangte in den Wiesbadener Rhein-Main-Hallen 1993 seinen Höhepunkt. Die SPD-Gliederungen stellten dort nicht nur ihre örtliche Arbeit vor, sondern boten auch heimatliche Speisen und Getränke an. So aus den ostdeutschen Ländern leckere Schmalzbrote und aus einem Winzerdorf in der Pfalz hatte eine Gruppe eine komplette Weintheke mit Rebensäften errichtet. In Lippstadt war der Plan gereift, selbstgebackene Waffeln aus eigener Produktion anzupreisen, die an der Lippe bei Familienfesten stets ein „Renner“ waren. Leider war von diesen Darbietungen in Mannheim nicht mehr viel zu spüren, weil sich die geschäftlichen Interessen der Caterer des Rosengartens und der Wunsch der örtlichen Gliederungen, ihre vertrauten Erzeugnisse feilzuhalten, nicht mehr verbinden ließen.

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