Debatte über das Für und Wider einer Groko
Am heutigen Sonntag schauen viele auf die SPD in Berlin, wo die Bekanntgabe des Ergebnisses des Mitgliedervotums der Sozialdemokraten zum mit der CDU/CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag erfolgen soll. Die jetzt durchgeführte Befragung der Sozis ist nach 2013 bereits die zweite Abstimmung aller Mitglieder der ältesten deutschen Partei über eine Regierungskonstellation mit den Unionsparteien.
DGB-Vorsitzender für eine Groko
Vor vier Jahren hatten sich knapp 76 Prozent der Sozialdemokraten für das damals nach 1969 und 2005 dritte Regierungsbündnis von CDU, CSU und SPD im Bund ausgesprochen. Eine Prognose, wie diesmal der Ausgang sein wird, war unterhalb der Woche nur schwer einzuschätzen. Bis kurz vor der Abgabefrist – am vergangenen Freitagabend, 24.00 Uhr – der bundesweit an 463.723 SPD-Parteimitglieder versandten Stimmkarten haben die Informationsveranstaltungen der Befürworter und Opponenten einer neuerlichen Groko im Bund stattgefunden. Im Kreis Soest waren es mit den Stationen in Bad Sassendorf, Lippstadt und Soest der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Hellmich (Bad Sassendorf), die Landtagsabgeordnete Marlies Stotz (Lippstadt) in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des SPD-Unterbezirks für den Kreis Soest, und der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, Norbert Römer (Castrop-Rauxel), die das unterdessen vom „Vorwärts“ veröffentlichte Vertragswerk vorstellten. Einen Vertrag, mit dem sich der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, sehr zufrieden zeigte. „Arbeitnehmer profitieren klar“, meinte der Mann mit dem SPD-Mitgliedsbuch und seine Empfehlung an seine Parteifreunde war eindeutig: „Annehmen!“ Ebenso erinnerte der in Wuppertal geborene Sohn eines Maurers und einer Putzfrau an die in der letzten Groko durchgesetzten gewerkschaftlichen Forderungen (Mindestlohn und Rente mit 63). Das alles war gewiss ganz im Sinne des kommissarischen SPD-Parteichefs Olaf Scholz und der designierten Parteivorsitzenden Andrea Nahles, die deutschlandweit auf sieben Mitgliederkonferenzen ihrer Partei – so auch im westfälischen Kamen – für den erneuten Eintritt ihrer Partei in eine Koalition mit den C-Parteien geworben haben. Während die SPD-Befürworter für eine Fortsetzung der Regierung aus Union und Sozis unterstrichen, gut verhandelt und für den sozialen Arbeitsmarkt, Pflege und Rente viel herausgeholt zu haben, sahen die Opponenten in der SPD die Grundlagen für eine wiederkehrende Zusammenarbeit der bisherigen Koalitionäre als erschöpft an.
Juso-Vorsitzender gegen eine Groko
Aus der Mitte der Zweifler vermisst der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, Kevin Kühnert, so im Februar bei seinem Besuch im heimischen Landkreis, in dem vom DGB-Boss gelobten Pakt die Kernziele der Sozialdemokratie. Da überrascht es nicht, dass er gegen eine erneute Groko ist. Der Juso aus Berlin, der sich wenige Tage vor seinem Auftritt in der Soester Stadthalle auch im Fernsehen mit dem einstigen von der SPD gestellten Finanzminister Hans Eichel eine spannende Debatte lieferte, brachte vor den aus dem gesamten Kreisgebiet angereisten Sozialdemokraten die Dinge auf den Punkt: „Wir sind in den Wahlkampf mit der Forderung nach dem Ende der Zweiklassenmedizin gestartet. Gelandet sind wir jetzt bei einer Kommission, die Vorschläge zur Entwicklung der Arzthonorare machen soll.“ Auch beim Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge sei das Ergebnis „ernüchternd“. Überdies erklärte der 28jährige Mann aus der Hauptstadt in der Kreisstadt: „CDU und CSU haben mehrfach gezeigt, dass sich die SPD nicht auf sie verlassen kann. Da gibt es eine lange Liste mit mehr als einem Dutzend Punkten aus dem letzten Koalitionsvertrag.“ Als Beispiele führte er das Rückkehrrecht zur Vollzeit und Solidarrente an. Darüber hinaus hob der eloquente Nachwuchspolitiker im randvollen Kaiserzimmer der Soester Stadthalle unter Beifall seines Publikums hervor: „Die SPD muss sich programmatisch erneuern und stärker den Verteilungs- und Zukunftsfragen widmen.“ Unabhängig vom Pro oder Kontra für eine Groko, konnten die Genossinnen und Genossen eine wichtige Botschaft mit in ihre Ortsvereine nehmen: Solange die SPD in ihren Reihen derart engagierte und überzeugend auftretende junge Leute wie Kevin Kühnert hat, muss sie sich um die personelle Zukunft ihrer über 150 Jahre alten Partei keine allzu großen Sorgen machen.
Hans Zaremba