Hans Zaremba über die Wirkungen nach der Frauen-EM
Trotz des aus deutscher Betrachtung unglücklichen Ergebnisses des Endspiels der Frauen-Europameisterschaft (EM) zwischen Deutschland und England (1:2) hat das auf der Insel ausgerichtete Turnier viele bedeutende neue Gradmesser gesetzt. Sowohl in den vorwiegend gut besuchten Arenen als auch außerhalb der Spielfelder. Wirkungen, die wesentlich auch durch die überzeugenden Auftritte der von der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg betreuten Mannschaft des DFB (Deutscher Fußball-Bund) erreicht wurden.
Bundesliga beleben
Wenn diese Feststellungen und die im Juli in Deutschland registrierte Begeisterung über den Fußball der Damen mit ihren enormen Fernsehquoten nicht im Alltag der Bundesliga untergehen sollen, dann ist der bundesrepublikanische Frauen-Wettbewerb neu zu beleben. Eine Auffassung, die am Tag nach dem Finale von Wembley im „Kicker“-Interview ebenso der Aufsichtsratschef der DFL (Deutsche Fußball Liga), Hans-Joachim Watzke, vertrat: „Unsere Nationalmannschaft hat Hervorragendes geleistet“ und der Vorstandsboss von Borussia Dortmund fügte vor dem Hintergrund der bisher eher bescheidenen Besucherzahlen der deutschen Frauen-Ligen hinzu: „Man muss jetzt abwarten, ob wir beim Interesse mittelfristig über die Eventisierung hinauskommen.“ Die Sportreporterin des ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen), Claudia Neumann, sieht im Frauenfußball ein riesiges Vermarktungspotential und verlangte, „kreative Konzepte nicht zu Papiertigern verkommen zu lassen“. Überdies meinte die am internationalen Frauentag 2021 mit dem Marie Juchacz-Frauenpreis ausgezeichnete Fernsehfrau, dass die Gerechtigkeit der Geschlechter „im Sport, respektive im Fußball noch wachsen“ müsse.
Bezahlung angleichen
Dabei ist auch „Equal Pay“, die gleiche Bezahlung im Fußball von Frauen und Männern, einzubeziehen. „Die smarte Anpassung, die der DFB bislang vorgenommen hat, ist nett, aber nicht mit der ausreichenden Symbolkraft für Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft versehen“, bemängelte die von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) „als Pionierin der Sportberichterstattung“ charakterisierte TV-Kommentatorin. Nicht von ungefähr hatte sich am Rande der EM die Nationalkickerin Lina Magull, Mittelfeldspielerin des FC Bayern München, für einen Mindestlohn aller Spielerinnen in der ersten und zweiten Bundesliga ausgesprochen und gefordert: „Wir Fußballerinnen sollten ab der zweiten Liga so gut verdienen, dass niemand mehr nebenbei arbeiten gehen muss.“ Die Realität mit Blick auf den für das Turnier in England aufgebotenen Kader ist, dass die meisten DFB-Spielerinnen neben ihrem Sport studieren, um später eine berufliche Perspektive zu haben. Für die Übungsleiterin Martina Voss-Tecklenborg, einst selbst Nationalfußballerin, ist dies nach einer Veröffentlichung der Zeitung „Welt am Sonntag“ eine zwingende Notwendigkeit: „Sie können es sich aber schlicht nicht leisten, erst nach der Fußballkarriere zu schauen wie es weitergeht. So viel Geld werden sie nicht verdient haben.“
Verbände verpflichten
Nach der großen Leistung bei der EM in England will nun die Bundesregierung den Frauenfußball mehr unterstützen, was aus dem von Nancy Faeser (SPD) geleiteten Sport- und Innenministerium zu vernehmen war. Details wurden nach einem Artikel der „Berliner Zeitung“ nicht genannt. Konkreter war die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, als sie erklärte: Der „Wahnsinnsleistung“ auf dem Turnier in England müssten nun auch „Wahnsinns-Kraftanstrengungen der Fußballverbände DFB und DFL“ folgen. Mit diesem Aufruf dürfte die Bielefelderin den im März dieses Jahres zum neuen DFB-Präsidenten berufenen Bernd Neuendorf, einst Staatssekretär im Düsseldorfer Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und zuvor SPD-Landesgeschäftsführer in Nordrhein-Westfalen, in die Verantwortung genommen haben. Der 60-jährige und gelernte Journalist hatte nach seiner Wahl den Frauen- und Mädchenfußball zur Chefsache erhoben. Damit hat der DFB-Boss zugleich hohe Erwartungen entfesselt, die auch Claudia Neumann mit ihren Bemerkungen nach dem Abpfiff in London aufgegriffen hat.