Hans Zaremba über eine schwierige Spurensuche
Obwohl die nationalsozialistische Willkürherrschaft in Deutschland vor mehr als 75 Jahren ihr Ende gefunden hat, ist der Kampf gegen den Antisemitismus und Rassismus weiterhin notwendig. Diese Verpflichtung gilt auch für den Fußball. Der DFB (Deutscher Fußball-Bund) stellte nun am Gedenktag für die Holocaust-Opfer in seinem Museum in Dortmund mit „Niemals vergessen“ ein besonderes Projekt vor: Das Onlinelexikon verfolgter jüdischer Fußballer.
Leistung jüdischer Fußballer und Funktionäre
Für den Fußballverband soll das multimediale Nachschlagewerk „als der zentrale virtuelle Gedenkort im deutschen Fußball“ fungieren, wird auf der DFB-Homepage geschildert. Mit den aus dem Fundus etlicher deutscher Traditionsclubs rekrutierten Materialien würdige das digitale Archiv „umfassend die historische Leistung jüdischer Fußballer und Funktionäre“. Ebenso werde auf diese Weise gleichzeitig ein Signal in die Gegenwart und Zukunft gesendet, „damit der Fußball vielfältig, weltoffen und tolerant bleibt“. Dazu betont der Museumsdirektor Manuel Neukirchner im weltweiten Netz: „Die Nationalsozialisten löschten nicht nur das Leben aus, sondern auch Erinnerungen. Die Konterfeis sportlich erfolgreicher Juden wurden aus den Sammelalben entfernt, ihre Namen von den Gedenkplatten gekratzt, ihre Gesichter aus Vereinsfotos heraus retuschiert und ihre Erfolge aus Rekordlisten gestrichen.“ Mit dem Onlinelexikon erinnere das DFB-Museum an das Schicksal verfemter und ermordeter jüdischer Sportpioniere, die dem Fußball in Deutschland einst wichtige Impulse gaben. Darunter befindet sich auch der Name des Nationalspielers Julius Hirsch aus Karlsruhe, der im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Der ehemalige Print- und Hörfunkjournalist und heutige Chef der Fußball-Pinakothek, stellte zugleich zum Online-Verzeichnis heraus: „Zudem ist es unser Anliegen, ein permanentes Zeichen gegen jede antisemitische und rassistische Tendenz im heutigen Fußball zu setzen.“ Für die Verantwortlichen der DFB-Galerie ist mit der jetzt erfolgten digitalen Präsentation „Niemals vergessen“ die Aufarbeitung der Lebensgeschichten von mehr als 200 jüdischen Kickern und Repräsentanten, die einst den Fußball prägten und von Nazi-Schergen verfolgt wurden, nicht beendet. Daher lädt das Deutsche Fußballmuseum (www.fussballmuseum.de/juedische-fussballer/lexikon) alle Interessierten zur weiteren Mitarbeit ein, um das Nachschlagewerk fortwährend zu vervollständigen. Es seien immer noch viele Namen und Leidenswege jüdischer Persönlichkeiten des deutschen Fußballs unbekannt. Über den DFB hinaus haben sich in den vergangenen Jahren ebenso verschiedene deutsche Vereine – auch die westfälischen Clubs in Dortmund und Gelsenkirchen – mit dem Fußballsport während der NS-Diktatur befasst.
Schwarz-Gelb ohne Arier-Paragrafen
So ließ Borussia Dortmund untersuchen, wie die nationalsozialistische Zeit in das Vereinsleben eingriff. Das im Dezember 2002 publizierte Buch des BVB-Archivars Gerd Kolbe mit dem Titel „Der BVB in der NS-Zeit“ überliefert nachdrücklich den Alltag unter dem NS-Regime. Darin greift der ehemalige Pressesprecher der Stadt Dortmund auch die Rolle von August Lenz (1910-1988), erster Nationalspieler von Borussia Dortmund, auf. Der spätere Gastwirt vom Dortmunder Borsigplatz gehörte in den 1930er Jahren als Mitglied der SA (Sturmabteilung der NSDAP) offenbar zu den zahlreichen Deutschen, die sich mit dem nationalsozialistischen Deutschland identifizierten und opportunistisch mit dem Regime kooperierten. Eine Rezension der „Westdeutschen Zeitung“ beschreibt die Rekonstruktion des auch bei den Lippstädter „Optimisten“ gut bekannten BVB-Chronisten mit: „Ausführliche Interviews mit Zeitzeugen jener finsteren Jahre gewähren dem Leser einen anschaulichen Blick in das Vereinsleben des aufstrebenden Klubs, der trotz Gleichschaltung darauf verzichtete, den berüchtigten Arier-Paragrafen in die Satzung aufzunehmen.“
Zwischen Blau und Weiß liegt Grau
Drei Jahre später – im April 2005 – wurde aus dem Umfeld des FC Schalke 04 das Werk der Autorengemeinschaft Stefan Goch und Nobert Silberbach „Zwischen Blau und Weiß liegt Grau“ veröffentlicht. Von den Schreibern wurden anhand der ihnen zugänglichen Quellen die Verbindungen des Vorortvereins zum Nationalismus analysiert. Wegen ihrer Erfolge zwischen 1934 und 1942 mit sechs Meistertiteln und einem Pokalsieg mussten sich die Schalker wiederholt eine Nähe zu den damaligen Machthabern vorhalten lassen. Die Verfasser der Untersuchung bringen ihre Recherchen auf den Nenner: „Es gab nicht den absoluten Schurken und nicht den absoluten Saubermann.“ Sowohl die Kicker als auch die blau-weißen Verantwortlichen hätten in der NSDAP keine hohen Funktionen ausgeübt. Die „Frankfurter Rundschau“ begrüßte in ihrer Buchkritik die Schrift über die Schalker Spieler und Verbandsfunktionäre, die sich für die NS-Sache engagierten. Die Publikation sei weder „selbstgerecht“ noch blende sie „den Blick für die damaligen Zeitumstände“ aus. Für die hessische Tageszeitung lautete das Fazit: „Dass Schalke zwischen 1933 und 1945 sechs Mal Meister geworden ist, liegt demnach wohl nicht an Manipulationen, sondern schlicht am damaligen Können der Spieler“.