Hans Zaremba blickt auf das Revier-Derby
Es ist ohnehin schon schwer, in der durch die Corona-Pandemie geprägten Zeit ein Fan der Fußballbundesliga zu sein. Weder besteht die Möglichkeit, die Spiele direkt auf den Rängen in den Stadien zu verfolgen, noch sich in den Gastwirtschaften zu gemeinsamen Runden zu treffen, um die Begegnungen auf den Mattscheiben zu betrachten. Für die Anhänger der Bundesligisten aus dem Revier kommen noch die desolaten Auftritte von Schalke 04 und die launenhaften Leistungen des BVB 09 hinzu.
Remis hilft nicht
In dieser schwierigen Phase erwarten nun am frühen Samstagabend nach Karneval um 18.30 Uhr die Königsblauen aus Gelsenkirchen auf dem Berger Feld von Erle die Schwarz-Gelben aus Dortmund. Wer dieses Match mit einem Dreier beendet, lässt sich angesichts der krisengeschüttelten Knappen und der zuletzt lethargischen Darbietungen der Borussen nur schwer voraussagen. Vielleicht gibt es am Ende ein Remis, was jedoch keinem der Traditionsclubs richtig weiterhelfen würde. Am vergangenen Spieltag kamen Borussia Dortmund (2:2 im einstigen Westfalenstadion gegen die TSG 1899 Hoffenheim) und der FC Schalke 04 (0:0 an der Alten Försterei bei Union Berlin) auch über Punkteteilungen nicht hinaus. Die Schalker müssen jetzt unbedingt einen Sieg landen, wenn ihre ohnehin dramatische Lage am Tabellenende nicht noch düsterer werden soll. Für Dortmund ist wegen der vom Vorstandschef Hans-Joachim Watzke verkündeten Zielvorgabe, Qualifikation für die Champions League 2021/22, ebenfalls ein Erfolg zwingend erforderlich. Es geht im Revier-Derby auch um viel Geld. Gelsenkirchen droht beim Verlust der Bundesliga ein ähnlicher sportlicher und wirtschaftlicher Abstieg, wie ihn derzeit Kaiserslautern in der dritten Liga mit einem möglichen Fall in die Viertklassigkeit noch verhindern will. Dortmund wird sich beim Verfehlen der europäischen Königsklasse mit der Abwanderung vieler seiner Jungtalente abzufinden haben, die längst im Blick namhafter europäischer Clubs stehen.
Dortmund
Nur 33 Punkte und Tabellensechster? Könnte schlimmer sein, mögen manche von den Verantwortlichen der Borussia und in den BVB-Fangemeinschaften – wie bei den „Optimisten“ in Lippstadt – meinen. Es reicht, sechs Jahre zurückzudenken. Da hatte Dortmund nach 18 Spieltagen lediglich 16 Punkte und war im Tabellenkeller angelangt. Der lange erfolgreiche Coach Jürgen Klopp war plötzlich ein ratloser Mann geworden. Eine große Karriere schien ihren Schlusspunkt erreicht zu haben. Ebenso der BVB-Traum vom Spitzenclub, der den Bayern dauerhaft Paroli bieten würde. Plötzlich war man ganz unten, nur eineinhalb Jahre nach dem deutsch-deutschen Champions-League-Finale in London, in dem man dem FC Bayern München unterlag. Ein Bruch in der Dortmunder Erfolgsgeschichte ohne Frage. Bei nicht wenigen Beobachtern kam ein gewisser Spott auf, als sie die auf der Tribüne zusammengekrümmte Gestalt von Hans-Joachim Watzke sahen. Der BVB-Boss hatte zuvor zwei Meistertitel in Folge und vor allem in 2012 den Doublegewinn seines BVB mit 5:2 im Vergleich mit dem Konkurrenten von der Isar erlebt. Doch am Ende der Spielzeit 2014/15 reichte es noch siebten Rang. Der wäre im Mai 2021 jedoch zu wenig für den Anspruch von Borussia Dortmund. Will der BVB seinen begabten Nachwuchskräften – Erling Haaland, Jadon Sancho, Jude Bellingham und Giovanni Reyna – sportliche Perspektiven bieten und adäquat entlohnen, muss er in die Champions League 2021/22 gelangen. Die auffälligste Nachricht vor dem Ruhrklassiker ist zweifelsohne die am Montagnachmittag in Mönchengladbach verkündete Verpflichtung von Marco Rose als neuer BVB-Chefbetreuer ab dem Sommer 2021, auf das in den Tagen zuvor schon einiges hindeutete. Nach Thomas Tuchel, Peter Bosz, Peter Stöger, Lucien Favre und Edin Terzic ist der noch bis zum Saisonende bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag stehende 44-jährige Sportlehrer bereits der sechste Nachfolger von Jürgen Klopp, der den BVB im Mai 2015 verlassen und sieben Jahre dort wirken konnte. Eine reinweg zu große Fluktuation bei Borussia Dortmund.
Gelsenkirchen
Noch prekärer ist die Konstellation des FC Schalke 04, der mehr oder weniger vor seinem vierten Gang in das Fußball-Unterhaus steht. Aufgrund einer verfehlten Vereinspolitik nach dem Ausscheiden und der inzwischen verstorbenen Manager-Ikone Rudi Assauer befindet sich der Uefa-Cup-Gewinner von 1997, siebenmalige deutsche Meister und fünffache Pokalsieger in einer tiefen Sackgasse. Es ist ungerecht, für die aktuelle Misere der Knappen ausschließlich dem jetzigen Vorstand für Sport und Kommunikation, Joachim Schneider, in die Pflicht zu nehmen. Damit dürften sich auch die Anhänger in den Schalker Gemeinden in Lippstadt („Graf Bernhard“) und in Wadersloh („Füchse“) befasst haben. Die eigentlichen Verursacher der Trostlosigkeit beim einst ruhmreichen FC Schalke 04 sind andere Personen. Der im Sommer 2016 geholte und unterdessen wieder zum FSV Mainz 05 zurückgekehrte Christian Heidel als Sportvorstand war offenkundig ein großer Flop. Die von ihm betriebenen Spieler- und Trainertransfers brachten nicht den angekündigten Effekt. Zudem hat das Image des Vorortvereins durch seine enge Kooperation mit dem umstrittenen Fleischfabrikanten aus Rheda-Wiedenbrück und langjährigen Vorsitzenden des Schalker Aufsichtsrates, Clemens Tönnies, erheblich gelitten. Nicht nur durch die unentschuldbaren Ausfälle des Unternehmers auf dem Paderborner Liborifest 2019, sondern auch durch sein Verhalten im vergangenen Juni auf dem Höhepunkt der massiven Corona-Infektionen in seinem Betrieb in der Doppelstadt an der Ems. Ein gänzlicher Schnitt von ihm könnte dem FC Schalke 04 auch in vielen Kreisen außerhalb des eigenen Vereinsumfeldes reichliche Sympathien zurückbringen.