Der Bundesligakommentar von Hans Zaremba
Noch bevor die „englische Woche“ zwischen dem dritten und vierten Advent beendet war, hat Borussia Dortmund die Notbremse gezogen und sich von seinem Coach Lucien Favre getrennt. Nach den mauen BVB-Auftritten gegen Köln, in Frankfurt und im Vergleich mit Stuttgart war das Saisonziel – Qualifikation für die Champions League in 2021/22 – akut gefährdet, was die Bosse in der Bierstadt zum eiligen Handeln zwang.
Dortmund
Es zeichnete sich seit Wochen bei den Borussen ab, am vergangenen Sonntag kam nach dem 1:5-Debakel der Schwarz-Gelben gegen den VfB Stuttgart die fixe Umsetzung: Der vorzeitige Abschied vom Cheftrainer, dessen Kontrakt eigentlich erst Ende Juni ausgelaufen wäre. Von einer Verlängerung seines Vertrages war im Revier ohnehin schon seit Monaten nicht mehr die Rede, obwohl sein Punkteschnitt zu den besten aller bislang beim BVB 09 angestellten Übungsleiter gehört. Zum Start seiner Zeit in Dortmund als Bessermacher gefeiert, am Schluss als Zauderer vertrieben. Ähnlich gestrickt waren auch die Engagements des Eidgenossen bei Hertha BSC (2007-2009) und Borussia Mönchengladbach (2011-2015), die gleichfalls vor ihren verbrieften Ablaufdaten gelöst wurden. Der Mann mit dem französischen Akzent war nicht der große Motivator, wie ihn Borussia Dortmund in Jürgen Klopp von 2008 bis 2015 hatte. Mit seiner Methode konnte dies der Schweizer auch nicht werden. Sowieso ist es für jeden Nachfolger des heute beim FC Liverpool tätigen Sportlehrers schwer, dass anspruchsvolle Publikum und Umfeld des Traditionsclubs aus dem Revier in seinen Bann zu ziehen. Erfahrungen, die auch Thomas Tuchel (2015-2017), Peter Bosz (Juli 2017-Dezember 2017) und Peter Stöger (Dezember 2017-Juni 2018) erlebten. Der Verschleiß von vier Männern auf der Bank des achtmaligen Fußballmeisters in nur fünfeinhalb Jahren ist bedenklich. Eine Bilanz, die speziell der Vorstandsvorsitzende Hans-Joachim Watzke zu verantworten hat. Bei den in seiner Amtszeit – also seit dem 15. Februar 2005 – verpflichteten sportlichen Leitern hatte der Sauerländer selten eine glückliche Hand. Ausgenommen die Anstellung des früheren Mainzers und heutigen Liverpoolers. Nun soll es Edin Terzic, ein 1982 in Menden geborener Deutsch-Kroate, bis zum Saisonende richten. Der Start ist dem Sportwissenschaftler mit dem glücklichen 2:1 von Borussia Dortmund bei Werder Bremen zur Freude der großen BVB-Gemeinde – auch bei den Lippstädter „Optimisten“ – halbwegs gelungen. In ihm aber nach nur einem Spiel bereits einen neuen Jürgen Klopp zu sehen, ist mehr als verfrüht. Derartige Wertungen sind zudem eine unnötige Belastung für den bisherigen Coach-Assistenten bei der Dortmunder Borussia.
Mönchengladbach
Mit Marco Rose hat die Borussia aus Mönchengladbach seit dem Sommer 2019 einen Begleiter auf der Betreuerbank, auf dem der Namensvetter aus Dortmund schon vor Monaten einen Blick geworfen haben soll. Eine Annahme, die kürzlich vom Manager der Niederrheiner, Max Eberl, im ZDF-Sportstudio bestätigt wurde: „Marco Rose ist ein Top-Trainer. Das macht ihn natürlich auch für andere Vereine interessant – und ich meine damit Top-Vereine.“ Bei der augenblicklichen Situation, wo in München Hansi Flick und in Leipzig Julian Nagelsmann fest im Sattel sitzen, kommen nicht allzu viele Bundesligisten für die These des Sportdirektors der Mönche in Betracht. Was den heutigen Übungsleiter der Gladbacher an einem Wechsel zur anderen Borussia reizen könnte, sind gewiss die finanziellen Möglichkeiten der Dortmunder und ihre damit verbundenen sportlichen Perspektiven. Diese scheinen für ihn in Mönchengladbach offenkundig ausgereizt zu sein. Mit dem momentanen achten Tabellenrang ist es überdies mehr als fraglich, ob der VfL Borussia Mönchengladbach zum Saisonende wiederum die Qualifikation für die Champions League erreicht. Auch die Ergebnisse aus den letzten beiden Begegnungen (1:1 im Match mit Hertha BSC und 3:3 beim Gastspiel gegen Eintracht Frankfurt) dürften nicht die Erwartungen erfüllt haben, die der jetzige Gladbacher und einstige Salzburger von seiner Funktion an der Seitenlinie hat.
Union Berlin
Im Unterschied zu Lucien Favre wurde in diesen Tagen ein anderer Bundesliga-Trainer aus der Schweiz mit einem neuen Arbeitspapier ausgestattet. Urs Fischer, der den Kultverein Union Berlin in 2019 in die Beletage des deutschen Fußballs führte und mit ihm in 2020 die Klasse halten konnte, hat in der Adventszeit die Fortsetzung seiner Tätigkeit bei den Rot-Weißen aus der Hauptstadt bestätigt. Den Eisernen ist damit ein beachtenswerter Coup gelungen, weil auch finanzkräftigere Vereine die Dienste des Mannes, der vor seiner Zeit in Berlin in seinem Heimatland mit dem FC Basel in 2016 und 2017 zweimal die Meisterschaft erringen konnte, begehrten. Es dürfte der Abgeklärtheit des früheren Abwehrspielers des FC Zürich und des FC St. Gallen geschuldet sein, dass die Köpenicker am zehnten Spieltag dem FC Bayern München ein 1:1 abtrotzen und wenige Tage später auch beim VfB Stuttgart ein 2:2 holen konnte. Der sechste Tabellenrang und ein Vorsprung von fünf Punkten auf den innerstädtischen Konkurrenten aus Charlottenburg, Hertha BSC, sind die Belohnung für die beständigen Leistungen der Fußballer aus dem Berliner Südosten. In dieser Konstitution werden sie auch über den Sommer 2021 hinaus von neuem in das Geschehen im Fußballoberhaus eingreifen und eventuell sogar den blau-weißen Lokalrivalen für einen längeren Zeitraum hinter sich lassen können.
Gelsenkirchen
Reichlich ist über die aktuelle wirtschaftliche und sportliche Trostlosigkeit des FC Schalke 04 geschrieben worden. Sie ist auch das Ergebnis einer viel zu langen Beziehung der Knappen zum milliardenschweren Unternehmer Clemens Tönnies. Als Aufsichtsratsvorsitzender gehörte der Fleischgroßproduzent etlichen Gremien der Königsblauen an. Damit trägt er für die Schalker Misere eine erhebliche Mitverantwortung. Bereits nach seinen von etlichen Medien als rassistisch bewerteten Worten auf dem Paderborner Liborifest im Juli 2019 und dem Skandal um die zahlreichen Coronafälle in seinem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück im Sommer 2020 waren große Teile der blauweißen Szene auf Distanz zum Metzgermeister gegangen. Der Ende Juni erfolgte Rücktritt von den Ämtern beim Vizemeister von 2018 kam für die meisten Beobachter jedoch zu spät. Nach den Worten der Ex-Schalker Ehrenrätin Kornelia Toporzysek, Richterin am Düsseldorfer Oberlandesgericht, sei der ostwestfälische Geschäftsmann zuletzt nur noch eine Belastung für den Verein aus dem Ruhrpott gewesen. Die Dramatik der finanziellen Krise in Gelsenkirchen wird obendrein durch die zum Ligastart vom Land Nordrhein-Westfalen gewährte Bürgschaft unterstrichen. Sportlich brachte die „englische Woche“ den hoch verschuldeten Verein nicht voran. Nach dem überraschenden 2:2 vom Sonntag in Augsburg folgte am Mittwoch mit dem 0:2 gegen Freiburg für die Sympathisanten der Schalker – auch für die in Lippstadt („Graf Bernhard“) und in Wadersloh („Füchse“) – die nächste Ernüchterung. Der einst ruhmreiche Club muss nun am Vortag des vierten Advents den 29. Anlauf starten, um endlich einen Dreier in der Bundesliga einzusacken.
Bielefeld
Ob dies dem FC Schalke 04 jetzt im Vergleich mit Bielefeld gelingt, ist zu bezweifeln. Nach dem ärgerlichen 0:1 der Arminen im Treffen mit Augsburg benötigen auch sie jetzt dringend jeden Zähler. Damit könnte das Match zwischen den westfälischen Vereinen ein spannender Überlebenskampf werden. Lediglich auf drei Punkte beläuft sich derzeit die Differenz zwischen den Bundesligaclubs aus Bielefeld und Gelsenkirchen. Übrigens: Auch der Aufsteiger aus Bielefeld hatte sich nach den Corona-Vorfällen im Kreis Gütersloh vom Fleischhersteller aus der Nachbarschaft abgewandt. „Aufgrund der aktuellen Ereignisse wird der DSC Arminia Bielefeld die werbliche Partnerschaft mit dem Unternehmen Tönnies nicht fortsetzen“, lautete die kurze Nachricht aus der Leineweberstadt. Eine wohl unerlässliche Maßnahme, um dem schwarz-weiß-blauen Verein vom Teutoburger Wald eine unangenehme Debatte zu ersparen.