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Abtritt einer Reizfigur

Hans Zaremba über Uli Hoeneß

Als im Mai 2012 der jetzt von der Brücke des FC Bayern München abgetretene Uli Hoeneß auf einer von der Sparkasse Lippstadt angebotenen interessanten Veranstaltung über die Verbindung von Sport und Wirtschaft im bis auf den letzten Rang besetzten Stadttheater sprach, galt er in der Öffentlichkeit schon lange als Reizfigur. Mit einem großen Anhang von Anhängern, aber einer ebenso starken Schar von Gegnern, die ihn rundweg ablehnten. Dennoch war er bis zu diesem Zeitpunkt ein gern gesehener Gast von Talkrunden im Fernsehen – auch bei Diskussionen mit politischen Inhalten. Eine Popularität, die in 2012 auch wohl die Einladung des heimischen Geldinstitutes an den Fußballfachmann für das von ihr ausgerichtete „Zukunft Forum“ bewirkt haben dürfte.

Lippstadt am Mittwoch, 9. Mai 2012: Uli Hoeneß im Stadttheater am Cappeltor und umrahmt von Fans des FC Bayern München aus der Region an der Lippe. Archiv-Foto: Hans Zaremba

Steuerhinterziehung

Doch dieses Prestige des am 5. Januar 1952 in Ulm geborenen einstigen Nationalspielers, späteren Managers und Präsidenten des deutschen Rekordmeisters änderte sich radikal, als der von ihm begangene Steuerbetrug im April 2013 bekannt wurde und ihm für die hinterzogenen 28,5 Millionen Euro eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren einbrachte. Sie verbüßte er zur Hälfte im Gefängnis von Landsberg am Lech und anschließend als Freigänger in der Außenstelle Rothenfeld nahe am Starnberger See, bevor sich für ihn vorzeitig die Tore des Vollzuges öffneten. Dieser Abschnitt im Leben von Uli Hoeneß ist zweifellos ein enormer Makel in seiner beispiellosen Karriere, den er nach eigenem Bekunden mit „Mein allergrößter Fehler war meine Steuersache. Das bereue ich zutiefst und Kritik daran ist höchst berechtigt“ charakterisierte. Seine unabwendbare Abwesenheit aus der Zentrale der Bayern an der Säbener Straße in München muss nach seiner Rückkehr auf den Präsidentenstuhl beim Branchenführer der deutschen Kicker-Szene auch zum in den letzten Wochen verstärkt beobachteten Gerangel zwischen ihm und dem aus Lippstadt stammenden Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge geführt haben. Aber auch vor dem Urteil in der Steuerstrafsache müssen sich der vormalige Stürmer des TSG Ulm 1846 und frühere Torjäger von Borussia Lippstadt 08 nicht immer grün gewesen sein. Zumindest bei der Entscheidung in 2008, wer nach dem Ausscheiden von Ottmar Hitzfeld als Coach den FC Bayern übernehmen sollte, was der Gast der Sparkasse Lippstadt im Frühjahr 2012 bei seinem Auftritt im Lippstädter Theater schilderte. Während der Präsident Hoeneß damals Jürgen Klopp favorisierte, habe sich der Vorsitzende des Vorstandes, Rummenigge, mit seinem Votum für Jürgen Klinsmann durchgesetzt. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Während der Ex-Bundestrainer Klinsmann nicht mal ein Jahr in München blieb und wegen Erfolglosigkeit fünf Spieltage vor dem Saisonende für Jupp Heynckes das Feld räumen musste, startete der aus Mainz zu Borussia Dortmund geholte Übungsleiter Klopp beim BVB einen großartigen Lauf mit zwei Meistertiteln (2011 und 2012), einem DFB-Pokalsieg (2012) und den Einzug ins Finale der Champions League (2013).

Drohgebärden

Doch zurück zum Wirken von Uli Hoeneß beim FC Bayern München, den er wie kaum ein anderer in den vergangenen Jahren geprägt hat. Nach einer schweren Verletzung, die seine aktive Zeit unerwartet früh beendete, wurde er mit nur 27 Jahren beim Club, mit dem er als Profikicker zuvor dreimal den Europapokal (1974, 1975, 1976) und die nationale Meisterschaft (1972, 1973, 1974) sowie einmal den Weltcup (1976) und den DFB-Pokal (1971) gewonnen hat, als Nachfolger von Robert Schwan zum Manager berufen. Bei einem Umsatz von zwölf Millionen Mark und sieben Millionen Schulden begann er 1979, vier Jahrzehnte später kann der Bundesliga-Krösus einen Rekordumsatz von 750,4 Millionen Euro und einen Rekordgewinn nach Steuern von 52,5 Millionen Euro vorweisen. Mit dem Erfolgsmanager verbinden viele Beobachter auch einen Mann, der durchaus eine soziale Ader hat, jedoch ebenso für Widersprüche, Polarisierendes, Überraschungen, Angriffe, Selbstgewissheit und Drohgebärden steht. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: Nach dem grandiosen Sieg seiner Bayern gegen den BVB 09 aus Dortmund (4:0) rief der 67-jährige einen Tag später bei „Doppelpass“, dem Fußball-Frühschoppen von Sport 1, an und ließ sich live in die Sendung schalten, um zu poltern. Der Zweck des Angriffs war, vor der letzten Aufsichtsratssitzung in seiner Ära Vereinspolitik zu betreiben, die mit der Absichtserklärung enden sollte, den Sportdirektor Hasan Salihamidzic im kommenden Sommer zum Sportvorstand zu befördern. Es sei „unverschämt“, dass nicht über den Bosnier gesprochen werde und wenn doch, dann „total despektierlich“, rief der scheidende Patriarch der Bayern in den Hörer. Da war er wieder der Mann aus der „Abteilung Attacke“, wie er sich stets gesehen hat. Legendär sind dazu auch seine öffentlichen Dispute mit Christoph Daum als Trainer des 1. FC Köln im Mai 1989 im ZDF-Sportstudio und mit dem Geschäftsführer des SV Werder Bremen, Willi Lemke, Anfang der 1990er Jahre. Nun hat der Sohn eines Metzgermeisters die Ämter des Präsidenten und Vorsitzenden des Aufsichtsrates an Herbert Hainer (65), lange ein Vorstandsvorsitzender eines Sportartikelherstellers, mit dem Ausspruch „Das war`s! Ich habe fertig! Danke!“ weitergegeben. Es ist kaum anzunehmen, dass damit künftig keine verbalen Angriffe des Machos vom Tegernsee mehr erfolgen. Ob sie allerdings dem FC Bayern München und seinem eigenen Image helfen, muss dahingestellt bleiben.

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