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Aufbruch sieht anders aus

Hans Zaremba über den DFB im Frühjahr 2023

Eigentlich sollten die ersten zwei Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft nach dem verkorksten Weltturnier in Katar Aufschluss über den aktuellen Zustand des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vor der für den Sommer 2024 in Deutschland geplanten Europameisterschaft (EM) geben. Doch das Trainer-Beben in München mit dem nach den letzten Wochen im Grunde nicht unerwarteten Rauswurf von Julian Nagelsmann und der zügigen Bestellung von Thomas Tuchel zum neuen Impresario an der Säbener Straße überlagerte und störte das DFB-Vorhaben mit den Auftritten des von Hansi Flick begleiteten Teams gegen Peru (2:0) und Belgien (2:3) beträchtlich.

Kann keinen Aufbruch bei der Nationalmannschaft und seinem Verband feststellen:
Das meint der Chronist der Chronist der Lippstädter BVB-Freunde, Hans Zaremba, zum DFB im Frühjahr 2023.

Unruhe

Die von den Münchener Ereignissen in das DFB-Ensemble importierte Unruhe hatte zwangsläufig ihre Auswirkungen auf die Begegnungen in Mainz und Köln, was Auslassungen einiger Spieler kennzeichnen. Dazu zwei Beispiele: Der für den verletzten Manuel Neuer vorerst zum Spielführer bei den Bayern und in der Nationalmannschaft beförderte Joshua Kimmich schilderte, dass ihn das Thema „natürlich beschäftigt“. Für seinen bisherigen Vereinscoach fand der Mittelfeldspieler gegenüber Journalisten nur positive Wertungen. Entgegen der aus Kreisen des Titelverteidigers kolportierten Behauptung, wonach der freigestellte Bayern-Übungsleiter die Kabine verloren habe, sprach der DFB-Kapitän vom Versagen der Spieler. Ebenso erklärte Leon Goretzka hörbar, dass er kein Problem in der Zusammenarbeit mit seinem bisherigen Betreuer sah: „Ich hatte sicherlich keine Risse zu Julian. Ich weiß nicht, wie das bei anderen Spielern war.“ Wer jedoch damit gemeint war, ließ der ehemalige Bochumer und frühere Schalker offen. Nicht von ungefähr wurde in den Medien gemunkelt, dass die Verbindung vom Keeper Manuel Neuer und des Offensivmannes Thomas Müller zum vormaligen Bayern-Sportlehrer angespannt gewesen sein soll. Unabhängig von den wiederholten Querelen beim Rekordmeister richtete sich bei den zwei Auftritten der Nationalelf der Blick auf das Ansehen des DFB, das wegen des frühen Ausscheidens seiner Mannschaft in Katar und dem ungeschickten Auftreten seiner Verantwortlichen während der Tage im Emirat arg ramponiert wurde.

Fingerzeige

Nach der Trennung von Oliver Bierhoff infolge der Pannen und Pleiten des DFB auf der arabischen Halbinsel obliegt es nun seit Anfang Februar dem Publikumsliebling Rudi Völler, die Entfremdung zwischen den Fans und der Nationalelf zu überwinden. Getreu dem Motto „Zurück in die Zukunft“ will der einstige DFB-Teamchef (2000-2004) die Nationalelf wieder zum Lieblingskind der Deutschen machen. Nach den Worten des lange als Manager in Leverkusen tätigen vormaligen Bundesligakickers von Mitte Februar im ZDF-Sportstudio soll kein störendes Politikgequatsche mehr im Vordergrund stehen. Der Bundestrainer solle sich „nur auf den Fußball konzentrieren“ können. Politische Themen müsse man „anders“ angehen. Doch das ist zu kurz gesprungen, weil diese Ansicht zugleich eine gefällige Botschaft an den umstrittenen Fifa-Boss Gianni Infantino ist, der gerade noch vom DFB-Präsident Bernd Neuendorf eine Absage erfahren hat. Vor dem Hintergrund der sportlichen Perspektiven der DFB-Auswahl blickte ihr Sportdirektor vor den ZDF-Kameras auf Argentinien, „das mit der „Leidenschaft, die man von uns Deutschen immer gekannt hat“, den WM-Pokal in 2022 gewonnen habe. Die Fingerzeige des 62-jährigen waren klar: „Wir können das auch!“ Somit ein deutlicher Ukas an die von Hansi Flick für die Heim-EM einzustellenden Profis. Ob die Männer mit dem Adler auf der Brust wirklich schon so weit sind, wie es der 90-malige Nationalspieler erwartet, war im Match mit Belgien nicht zu erkennen. Spätestens im Sommer wird der Zeitpunkt erreicht sein, wo der Bundestrainer nicht mehr experimentieren kann, sondern ein festes Aufgebot gefunden haben muss. Überdies wünscht sich der in Offenbach beim TSV 1860, in Bremen und Leverkusen sowie für den AS Rom und Olympique Marseille als Stürmer ehedem aktive Rudi Völler beim DFB weniger Akademie und Wissenschaft. Das war eine unverblümte Ablehnung der kostspieligen Pläne seines Vorgängers in der Frankfurter Zentrale. Offensichtlich ist dies gleichfalls die Position des seit einem Jahr amtierenden DFB-Präsidenten, der angesichts der heiklen Finanzen des Fußballverbandes im ZDF vom Streichen einiger Projekte redete. Doch inzwischen steht dem DFB-Vormann Bernd Neuendorf neuer Ärger ins Haus, da die DFL (Deutsche Fußball-Liga) nach einer Mitteilung ihres Aufsichtsratsbosses Hans-Joachim Watzke nicht den DFB-Forderungen einer Erhöhung der Abgaben an den Fußballbund erfüllen werde. Derzeit soll die DFL als Entschädigung rund 25 Millionen Euro an den DFB zahlen. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, wolle der Verband jetzt das Doppelte bis Dreifache einkassieren. Es wird wohl noch länger dauern, bis der DFB nach den vielen Wechseln seiner glücklosen Präsidenten im letzten Jahrzehnt – von Wolfgang Niersbach (2012-2015) über Reinhard Grindel (2016-2029) bis zu Fritz Keller (2019-2021) – den von ihm angestrebten Aufbruch erreicht. Das gilt sowohl für seine Funktionäre als auch für die Akteure auf dem Rasen.  

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