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Verkehrswende nach Lippstädter Art

Nach der Wahl des Stadtrates am Sonntag, 14. September, und die Entscheidung in der Bürgermeisterfrage ist nun von den politischen Akteuren zu beantworten, wie Lippstadt sich künftig bewegen will. Dazu hatte das „FahrradNetzWerk“, ein Zweig des Lippstädter Klimanetzwerks, mit seinen acht zentralen Fragen zur städtischen Verkehrs- und Mobilitätspolitik den Parteien und Einzelkandidaten die Gelegenheit gegeben, Farbe zu bekennen. Die Antworten offenbaren, so Karl-Heinz Tiemann als Sprecher vom „FahrradNetzWerk“, mehr als bloße Meinungen: Sie zeigen einen Ausschnitt von politischer Willensbildung – zwischen Aufbruch, Abwarten und Ausweichen.

Abschluss zu einer Umfrage

Die Unterbrechung des Radweges in der Cappelstraße zeigt das Dilemma von Lippstadt bei der Gestaltung von Verbindungen für Radler auf.
Archiv-Foto: Karl-Heinz Tiemann

Lagerdenken

Der politisch beschlossene, aber von der Verwaltung nicht vollzogene Beitritt der Stadt Lippstadt zur AGFS NRW (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte) wurde zur Gretchenfrage. Sozialdemokraten, Linkspartei, Bündnis 90/Die Grünen sowie der parteilose und von der SPD unterstützte künftige Bürgermeister Alexander Tschense mahnten, Beschlüsse der politischen Gremien müssen auch umgesetzt werden. Die CDU dagegen verweist auf den damit verbundenen Verwaltungsaufwand, die FDP auf „ideologiefreie“ Entscheidungen. Ein Beitritt, der längst Realität sein sollte, wird somit zum Symbol für ein tieferes Dilemma: Der politische Wille ist da – die Verwaltung folgt nur zögerlich. Beim Thema Verkehrsberuhigung, Parkraummanagement und innerstädtischer Aufenthaltsqualität zeige sich nach den Worten von Tiemann ein deutliches Lagerdenken. Auf der einen Seite sprechen sich SPD, Grüne und Linke für weniger Autodominanz, Tempo 30 sowie mehr Raum für Menschen und Radverkehr aus. Konservative Stimmen mahnen vor „Umerziehung“ und pochen auf Autorechte. Die FDP laviert, die CDU bleibt häufig vage, konkrete Maßnahmen werden gemieden.

Handbremse

Ein zentrales Spannungsfeld zieht sich durch alle Antworten: Das Verhältnis von politischem Anspruch zu administrativer Realität. Immer wieder ist zu registrieren, dass gute Ideen an Zuständigkeiten, fehlendem Personal oder bürokratischen Mühlen scheitern. Die Sozialdemokratie fordert eine strategisch gesteuerte Verkehrsplanung, die Grünen sprechen von der Verkehrswende als gesamtgesellschaftlichem Projekt und Tschense erinnert daran, dass auch kleine Schritte Anerkennung verdienen, wenn sie denn gegangen werden. Besonders deutlich wird die Linkspartei, wenn es um sozialen Zugang zu Mobilität geht. Sie fordert ein Radverleihsystem für alle, barrierefreie Wege und Lastenräder für Menschen mit wenig Einkommen. Auch die SPD nimmt die soziale Komponente auf: Mobilität dürfe kein Privileg sein. CDU und BG lassen diesen Aspekt weitgehend aus. Ebenso die FDP, die vor allem auf Individualentscheidungen setzt. Wer auf zukunftsfähige Antworten hoffte, wird von CDU und BG oft enttäuscht. Während die anderen Fraktionen Radwegenetze, Klimaziele, intermodale Verknüpfung und neue Mobilitätsformen denken, setzen die Konservativen auf Rücksichtnahme, Regeltreue und den Status quo. Man fährt mit angezogener Handbremse durch die Mobilitätswende und überlässt die Gestaltung den anderen.

Zielbilder

Fast alle Parteien – selbst bei unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung – eint eine Kritik: Die Verwaltung handelt zu langsam, setzt Ratsbeschlüsse nicht um oder verliert sich im Klein-Klein. Die Mobilitätswende in Lippstadt ist also weniger eine Frage der Mehrheiten im Rat als des Durchsetzungswillens in der Verwaltung. Hier braucht es politisch gestärkte Führung und klare Zielbilder. Sonst bleibt alles Stückwerk. Die acht vom „FahrradNetzWerk“ gestellten Fragen machten deutlich: Lippstadt steht nicht am Anfang, sondern mitten im Prozess der Mobilitätswende. Doch wie dieser Prozess ausgeht, bleibt offen. Wer gestalten will, muss liefern. Politisch wie administrativ. Dazu der Sprecher vom „FahrradNetzWerk“ Tiemann: „Die fortschrittlichen Kräfte zeigen Ideenreichtum, Konzepttiefe und den Willen zur Veränderung. Doch ohne Umsetzungskraft wird selbst die beste Vision zur leeren Versprechung.“ Damit sei die Ratswahl 2025 auch zur Richtungswahl geworden. Die Politik muss nach den von den Mitgliedern vom „FahrradNetzWerk“, Claudia Bachmann, Dr. Joachim Nordkämper, Gerd Pokraka, Christian Ringel und Karl-Heinz Tiemann, ausgewerteten Antworten aus der CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Bürgergemeinschaft und Linke sowie von Arne Moritz und Alexander Tschense die Ungewissheit beantworten: Geht Lippstadt in Richtung einer lebenswerten, klimagerechten, sozial zugänglichen Stadt? Oder bleibt man stehen – aus Rücksicht, aus Angst oder aus Gewohnheit. Das „FahrradNetzWerk“ will weiterhin am Rad drehen und die Umsetzung der Mobilitätswende in Lippstadt kontinuierlich einfordern.

Hans Zaremba

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