Zweifellos war es ein Experiment, das die SPD mit dem Verzicht eines eigenen Kandidaten für das Bürgermeisteramt eingegangen war und stattdessen Alexander Tschense als parteilosen Bewerber für die erste Funktion der Stadt Lippstadt zu unterstützen. Angesichts der Vielzahl von einer Frau und fünf Männern für die Wahl des Vorsitzenden des Stadtrates und Chefs der Verwaltung war nach dem ersten Wahlgang am 14. September der Stichentscheid am 28. September vorprogrammiert.
Bürgermeister musste sich fünf Herausforderern stellen

Wahlkampf mit Alexander Tschense (rechts) am letzten Tag vor der Stichwahl. Offenbar ein lohnendes Engagement. Am Abend des 28. September lag der parteilose von der SPD unterstützte Bewerber deutlich vor dem Amtsinhaber aus der CDU.
Fehleinschätzung
Was nach dem ersten Wahlgang am Sonntag, 14. September, zwischen Alexander Tschense (31,8 Prozent) und Arne Moritz (37,2 Prozent) noch nicht absehbar war, sollte sich in den zwei Wochen bis zum Stichentscheid verändern. Für den verbliebenen der ursprünglich fünf Herausforderer des seit dem November 2020 amtierenden Bürgermeisters sprachen sich im zweiten Wahlgang am Sonntag, 28. September, 53,2 Prozent aus, während der Amtsinhaber lediglich 46,8 Prozent erreichte. Ein Resultat, das den bisherigen ersten Bürger von Lippstadt überrascht haben muss, wenn man seinen Kommentar nach Auszählung der Stimmen nach dem Stichentscheid, keine Wechselstimmung in der Stadt gespürt zu haben, glauben soll. Offensichtlich eine absolute Fehleinschätzung von Arne Moritz. Während der gesamten Amtszeit des aus Solingen von der CDU nach Lippstadt auf die Brücke der Stadt Lippstadt geholten Mannes war fortgesetzt heftige Kritik an seiner Arbeit zu registrieren. Sowohl in der Bevölkerung als auch aus den Dienststellen der von ihm geleiteten Stadtverwaltung. Überdies hatte er oft bei dem ihm obliegenden Vorsitz der Versammlungen des Stadtrates kein Geschick. Verstärkt, wenn das Langzeitthema Stadtmuseum mit einer möglichen Erweiterung auf dem Marktplatz auf der Tagesordnung stand. Dabei ließ er es an der gebotenen Neutralität als Vorsitzender des obersten Organs der kommunalen Selbstverwaltung fehlen. Vielmehr wurde vermehrt deutlich, dass er sich vorrangig als Vollstrecker der örtlichen Politik der Christdemokratischen Union verstand.

Eine Kampagne von Arne Moritz, die noch am Tag vor dem Stichentscheid auf dem Marktplatz sichtbar wurde, aber ohne besondere Reaktion verpuffte.
Fotos (2): Karl-Heinz Tiemann
Unterschiede
Zudem konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das einstige Landtagsmitglied aus dem rheinischen Teil von Nordrhein-Westfalen in Lippstadt nie richtig angekommen war. Besondere Themen im Bürgermeisterwahlkampf mit Blick auf die Zukunft der Stadt an der Lippe waren bei Arne Moritz nicht zu vernehmen. Hingegen setzte er – wie zuletzt in seiner Werbung bei den Lippstädter Seniorinnen und Senioren – auf Maßnahmen, die fast alle aus vorherigen Entscheidungen datierten und häufig von der Sozialdemokratie in den vergangenen zwei Jahrzehnten initiiert wurden. Indessen war sein Herausforderer und künftige Bürgermeister Alexander Tschense mit einem dezidierten und zu etlichen Aspekten durchaus grünen Programm in den Wahlkampf gegangen, das er mit dem von ihm gewählten Format Stadtgespräche an vielen Stellen in Lippstadt erläuterte. Ohne Zweifel gestaltete der gebürtige Lippstädter eine nachhaltige Werbetour, von dem die Printerzeugnisse nur wenig notierten. Dafür war der Informatiker stärker über die sozialen Medien präsent. Unter anderem mit mehreren kurzen Filmen bei Instagram und Facebook.
Erwartungen
Insbesondere von den Thesen von Alexander Tschense zur Mobilität verspricht sich das „FahrradNetzWerk“, ein Zweig des Lippstädter Klimanetzwerks, spürbare Effekte für die Politik in Lippstadt. Die von Rote Lippe Rose auf der eigenen Homepage (www.rote-lippe-rose.de) veröffentliche Serie zu den Lippstädter Radwegen hat dies aufgezeigt. So auch auf den Seiten 8 und 9 in dieser Print-Ausgabe. Gewiss warten auf den neuen Vormann an den Schalthebeln der Stadtpolitik und Administration besondere Herausforderungen, die von einem von außerhalb des kommunalen Betriebs in das Geschehen des Stadtrates und im Stadthaus gelangten Mannes erhebliche Anstrengungen abverlangen werden. Gesteigert durch eine Ratsversammlung, die aufgrund der in ihr vertretenen neun Gruppierungen vorerst ohne klare Mehrheiten erscheint. Überdies muss der künftige Bürgermeister das städtische Personal befrieden, das in den vergangenen fünf Jahren durch eine Reihe von Konflikten mit Arne Moritz nicht immer die nötige Wertschätzung erfahren haben dürfte.
Hans Zaremba