Streitgespräch des Lippstädter SPD-Ortsvereins
Für manche ist es eine Schmuddelfrage, andere bewegt in der SPD monen tan kaum etwas mehr. Der richtige Umgang mit der Linkspartei hat spätestens seit den Landtagswahlen im Januar in Hessen und in Niedersachsen und im Februar in Hamburg viele Gemüter bei den Sozialdemokraten in Aufregung versetzt. Dies wurde auch deutlich, als der Lippstädter SPD-Ortsverein am Freitag vor Pfingsten sein öffentliches Streitgespräch zum Pro und Kontra gegenüber den neuen Konkurrenten im politischen Wettbewerb in der Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt ausrichtete.
Populistisch und unseriös
Mit dem Sprecher des parteirechten Seeheimer Kreises, dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, und dem Mitglied vom Forum Demokratische Linke 21 in der SPD, dem Hammer Fraktionschef Marc Herter, konnte Ortsvereinsvorsitzender Hans Zaremba in der gut besuchten Versammlung Repräsentanten der beiden großen Flügel der Sozialdemokraten begrüßen. Die Forderung, es einmal ernsthaft im Westen oder im Bund mit der Linkspartei zu versuchen, war in der vom Ortsvereinsvize Bernhard Scholl geleiteten Diskussion nur vereinzelt zu hören. Es waren nicht wenige, die die linke Konkurrenz als zu populistisch und zu unseriös betrachteten. Dennoch war viel Unmut über einige der nur schwer zu verstehenden Entscheidungen der handelnden Politiker im Bundestag und in der Regierung der großen Koalition zu vernehmen. Sie reichte von der Kritik an der Selbstbedienungsmentalität bei der neuerlichen Diätenerhöhung für die Parlamentarier, den Einschnitten beim Arbeitslosengeld und den Öffnungsklauseln für die Leiharbeit.
Kein verlässlicher Partner
„Ich persönlich will lieber die Wähler der Linkspartei und nicht die Linkspartei selbst für die SPD gewinnen“, unterstrich der für seine klare Sprache bekannte Johannes Kahrs aus Hamburg. Zudem sieht er in dem „chaotischen Haufen“ der aus Fusion von WASG und PDS entstandenen Verbindung keinen verlässlichen Partner für die SPD, „vor allem nicht bei den Leuten im Westen“. Besonders scharf ging er mit der Politik des ehemaligen SPD-Parteivorsitzenden und heutigen Linkschef Oskar Lafontaine ins Gericht, für die der Mann vom rechten SPD-Flügel nur Häme übrig hatte.
Bekenntnis zu Agenda 2010
Ohne Wenn und Aber bekannte sich der an der Weser aufgewachsene Sohn zweier ehemaliger Bremer Senatsmitglieder mit SPD-Parteibuch (Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs und Justizbehördenchef Wolfgang Kahrs) zu der vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder durchgesetzten Agenda 2010. „Mit ihm als Spitzenkandidaten sind wir dreimal in Folge bei den Wahlen in die Bundesregierung gekommen“, erinnerte der 1998 erstmals in das Berliner Parlament gewählte Hanseat an die Ergebnisse seiner Partei von 1998, 2002 und 2005. „Von denen sind wir heute in den Umfragen weit entfernt.“ Während der Kanzlerschaft des Hannoveraners habe die Sozialdemokratie sieben Jahre lang eine gute Wirtschafts- und Sozialpolitik gestaltet, was die augenblickliche positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeige.
Gegen Stigmatisierung
Gegen eine Stigmatisierung der Linken wandte sich Marc Herter, um sie nicht in eine Märtyrerrolle zu drängen. „Wir müssen uns mit dieser Gruppierung inhaltlich auseinandersetzen“, betonte der aufstrebende Sozialdemokrat aus dem benachbarten Hamm. „Natürlich wäre es schön, wenn wir die einzige linke Partei wären, aber wir müssen die Realitäten erkennen.“ Bei allen Überlegungen stehe für ihn im Vordergrund, wie die SPD am besten ihre Forderungen durchsetzen könne. Daher habe er auch das ursprüngliche Dogma des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck („Keine Koalition mit den Linken im Westen“) für falsch gehalten. Im Gegensatz zu Kahrs lehnte es Herter ab, bei der Suche nach politischen Lösungen Lafontaine ausgrenzen zu wollen.
Internationale Verpflichtungen
Ebenso widersprach der SPD-Linke seinem Kontrahenten in der Bewertung der Agenda 2010, wo es nach der Beurteilung des Westfalen in einigen Teilen an der notwendigen sozialen Balance gefehlt habe. Ohne einen grundlegenden Politikwechsel der Linkspartei auf dem internationalen Feld sieht auch Herter keine Chance für ein Bündnis in einer Bundesregierung. Einklang bestand zwischen linken und rechten SPD-Flügelmann mit Blick auf die internationalen Verpflichtungen Deutschlands. Eine Verabschiedung der Bundesrepublik Deutschland aus der Europäischen Gemeinschaft und der Nato, wie sie von der Linkspartei verlangt werde, war weder für den Hamburger noch für den Hammer SPD-Politiker denkbar.
Debatte geht weiter
Die Gretchenfrage, wie die Sozialdemokraten ihren Umgang mit der Linkspartei gestalten wollen, wird auch nach dem lebendigen Streitgespräch im Lippstädter SPD-Ortsverein noch für eine ganze Weile Gegenstand innerparteilicher Debatten in der ältesten deutschen Partei bleiben. Ausgiebig diskutiert werden soll sie Ende des Monats in Nürnberg, wo sich ihr ein großer Delegiertenkongress mit vielen Funktionären der SPD-Parteibasis widmen will.